Pfingsten

Da ich normalerweise jedes Jahr auf das Pfingstturnier in Wiesbaden fahre, dient es mir als große Inspiration für meine Romane.

In drei Romanen von mir gibt es Szenen, die am Pfingstwochenende im Biebricher Schlosspark spielen. Meine persönliche Lieblingsszene stammt aus GRAND PRIX FÜR DIE LIEBE. Hier kommen sich die beiden eigentlich zerstrittenen Nachbarn Katja und Charly näher. Diese Szene möchte ich hiermit ganz öffentlich mit euch teilen.

Es war ein wunderschöner Maitag auf den ein warmer Abend folgte.
Charly zog seine beste blaue Jeans und ein weißes Hemd an. Seine schwarzen Haare bearbeitete er mit Gel, was ihm ein jugendliches Aussehen verlieh.
„Wow! Na, wenn da keine Frau anbeißt, dann machst du etwas falsch!“, meinte Richard, als er ihn in seinem Zimmer abholte.
Sie fuhren mit einem Shuttle-Service zum Turniergelände.
Zunächst trafen sie dort ihre Azubis in einem Cateringzelt hinter dem Springplatz, um Sekt zu trinken. Richard verabschiedete sich sehr bald und auch die Azubis hatten bereits ihre eigenen Pläne. Charly lief alleine umher und sah sich auf den einzelnen Partys um, die an diesem Abend im Biebricher Schlosspark im Gange waren.
Neben der offenen Tribüne am Springplatz befand sich ein Zelt mit einem Irish Pub. Es lief laute Partymusik. Die Stimmung war ausgelassen. Charly ging hinein und sah sich nach bekannten Gesichtern um. Sein Blick blieb an einer Frau hängen. Sie hatte schulterlanges blondes Haar, trug ein schwarzes Jackett über einem orangefarbenen Top und schwarze Caprihosen. Während er sie beobachtete, wie sie sich fröhlich mit einem Mann unterhielt, bestellte er sich ein Guinness. Irgendwoher kam sie ihm bekannt vor. Aber wo hatte er zum letzten Mal eine so attraktive Frau gesehen? Sie war groß und schlank und wirkte auf ihn wie ein Model! War sie sogar ein Model und er hatte sie schon einmal in einer Zeitung gesehen? Schließlich befand er sich in Wiesbaden, da liefen einem ab und an berühmte Menschen über den Weg.
Der Mann verabschiedete sich von ihr, und sie verließ mit einem zufriedenen Lächeln das Zelt. In dem Moment, als sie an Charly vorbei ging, sah er ihr genau ins Gesicht. Es haute ihn fast um. Diese wunderschöne Frau war keine andere als Katja Bauermann!
Da sie einen gut gelaunten Eindruck machte und sie sich auf neutralem Gelände befanden, beschloss Charly ihr zu folgen, um mit ihr zu reden.
Er musste nicht weit gehen.
Katja saß mit einem Glas Bier auf der Grasfläche neben dem Springplatz und schaute in die Sterne.
„Hallo Frau Nachbarin! Schön Sie hier zu sehen!“, grüßte er.
Sie sah erschrocken auf. Vor ihr stand tatsächlich Karl-Georg von Fichten und lächelte sie an. Sie entgegnete freundlich: „Oh Herr von Fichten! Schöner Abend heute, nicht?“
„Ja, wirklich. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte er höflich.
Einen Moment überlegte sie. „Ja gerne!“
Er setzte sich im Schneidersitz ihr gegenüber.
„Da drinnen ist es viel zu laut!“, meinte er.
Sie grinste, was ihn sehr überraschte. „Ja, man versteht sein eigenes Wort nicht! Aber das Bier ist gut!“ Sie zeigte auf das Glas in ihrer Hand.
„Sagen Sie, Frau Bauermann, was habe ich Ihnen eigentlich getan?“ Charly stellte die Frage vorsichtig. „Und jetzt sagen Sie bitte nicht, dass es wegen der Reithalle ist. Die hat mein Arbeitgeber gekauft und nicht ich.“
„Ich weiß“, antwortete Katja knapp. Sie hatte keine Lust auf solche Gespräche. Dafür war dieser Abend viel zu schön und sie schon ein bisschen zu betrunken. Außerdem war ihr aufgefallen was für ein gutaussehender Mann dieser Karl-Georg von Fichten war. In seinem knallengen weißen Hemd, das über seinem muskulösen Oberkörper spannte, sah er geradezu zum Anbeißen aus! Warum sie ihn im Alltag immer schlecht behandelte, konnte sie in diesem Moment absolut nicht erklären.
„Ich glaube, ich bin einfach so, Herr von Fichten.“ Sie erhob ihr Glas zum anstoßen. „Aber ich verspreche Ihnen, dass ich mich von nun an bessern werde.“
„Super! Auf eine bessere Zusammenarbeit.“, freute sich Charly und stieß mit ihr an.
„Wann hat Ihnen zum letzten Mal jemand gesagt, dass Sie ein wunderschönes Lächeln haben?“ Er wollte ihr ein Kompliment machen, doch sofort verschwand ihr Lächeln, und sie sah traurig zu Boden.
„Das ist schon sehr lange her“, antwortete sie traurig.
„Das war dumm von mir. Tut mir leid, Frau Bauermann.“ Er hätte sich am liebsten selbst in den Hintern getreten. Sie lächelte und er erinnerte sie daran, dass sie Witwe war.
„Wollen wir das `Sie´ nicht lassen?“ bot er an, um das Thema zu wechseln. „Ich bin Karl-Georg, aber meine Freunde nennen mich Charly.“
„Und deine zickige Nachbarin?“ Ihr Lächeln war wieder da und genauso bezaubernd wie zuvor.
„Die auch.“ Er zwinkerte ihr zu.
„Ich bin Katja und so nennt mich jeder.“
„Ich kann nicht mehr sitzen. Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen?“, schlug er vor.
„Ja gerne. Ich wollte schon immer den Schlosspark bei Nacht erleben.“ Katja sprang begeistert auf.
Sie gingen die Treppe zum Schloss hinauf. In den Bäumen rings um den Dressurplatz, der hinter dem Schloss lag, konnten sie die hier heimischen Papageien rufen hören. Ein paar von ihnen flatterten über das Gelände. Wahrscheinlich fanden sie aufgrund der vielen Menschen und der Musik im Park an diesem Abend keine Ruhe.
Katja und Charly liefen gemütlich über die Grasfläche um den Dressurplatz.
„Wie war deine Prüfung heute?“, wollte Charly wissen,
„Nicht gut. Ich war viel zu nervös und habe alles verpatzt“, gab sie zu.
„Endlich eine Reiterin, die zugibt, dass sie selbst Fehler macht. Die meisten Reiter und Reiterinnen, die ich kenne, geben den Pferden die Schuld, wenn etwas nicht gut läuft“, meinte Charly erfreut.
Er half ihr über den kleinen Bach, der neben dem künstlich angelegten Dressurplatz zu einem Springbrunnen lief.
„Nein, meine Loreley war super wie imme. Beim Abreiten war sie total locker. Doch als ich ins Viereck geritten bin, war ich so nervös, dass sie sich verspannte Ich würde nie sagen, dass das Loreley‘s Schuld war.“
„Wissen Sie warum meine Familie einen Adelstitel hat?“ Sie blieben am Dressur Abreite-Platz stehen und lehnten sich gegen die Absperrung.
„Wir waren doch beim du.“ Katja grinste.
„Oh Verzeihung. Aber jetzt hast du wieder so schön gelächelt.“
Es tat ihr gut nach so langer Zeit wieder Komplimente zu bekommen. Auch seine Nähe und das Gespräch mit ihm empfand sie als angenehm.
„Du wolltest mir doch gerade erzählen, warum ihr den Adelstitel habt.“
„Ja, also mein Ururgroßvater war im 19. Jahrhundert Bereiter in Trakehnen. Da er dem Kaiser oft persönlich die Pferde vorgeritten hat und auch einige für ihn persönlich ausgebildet hat, war der Kaiser so begeistert von seinen Reitkünsten, dass er ihn in den Adelstand erhob. Alle meine Vorfahren waren angesehene Pferdeleute und waren immer der Meinung, dass der Fehler zuerst beim Reiter und Ausbilder zu suchen ist und nicht beim Pferd! Mein Vater hat die Reiterei leider nur als Hobby ausgeübt. Aber er hat die Philosophie unserer Vorfahren an mich weitergegeben. Leider ist er viel zu früh gestorben…“
„Deine Familie stammt aus Ostpreußen?“, hakte Katja nach.
„Ja, mein Vater war gerade zwei Jahre alt, als sie im Winter 44/45 flüchten mussten!“
„Die Familie meiner Schwiegermutter stammte auch aus Ostpreußen. Darum züchten wir Trakehner“, erzählte Katja begeistert. „Aber warum habt ihr keinen Trakehnerhengst auf eurer Station?“
„Keine Ahnung. Das hat sich bisher nicht ergeben, aber ich werde mit Herrn Bohlen darüber sprechen. Was ist mit dem braunen dreijährigen, den ihr zurzeit ausbildet?“
„Der soll auf den Hengstmarkt in Neumünster. Ich habe mich vorhin mit einem Freund meines Mannes unterhalten. Er holt ihn nächste Woche ab und macht ihn über den Sommer so weit fertig, dass wir ihn – hoffentlich – durch die Vormusterung bekommen.“, antwortete Katja.
„Er gefällt mir sehr gut. Ich habe ihn vor ein paar Wochen beim Freispringen beobachtet. Der Hengst geht ab wie eine Rakete. Er wär etwas für mich.“ Charly geriet ins Schwärmen.
Katja lachte. „Ja, er ist toll. Hat auch eine super Abstammung. Mein Mann wollte immer, dass Friendship mein Pferd wird, mit dem ich auf Grand Prix-Niveau reiten sollte. Leider kann ich mir diesen Luxus nicht leisten dieses Pferd so weit auszubilden. Ich muss versuchen ihn in Neumünster über die Auktion zu verkaufen. Wenn das nicht klappt, dann klingle ich bei dir an der Haustür.“ Sie zwinkerte ihm zu.
„Das würde mich sehr freuen. Im Übrigen hätte ich auch sonst nichts dagegen, wenn du bei mir vor der Haustür stehen würdest. Zu einem Feierabendbier zum Beispiel.“
Sie standen einander zugewandt an der Bande des Reitplatzes und sahen sich in die Augen. Ein paar Grillen zirpten und in der Ferne hörten sie die Musik der Partys auf dem Turniergelände. In der Luft lag der Duft von frisch gemähten, feuchten Gras. Es roch förmlich nach Frühling!
Durch eine Windböe wurde Katja eine Haarsträhne ins Gesicht geweht. Charly strich sie ihr von der Wange. Katja vernahm dabei den Duft seines After Shaves. Sie schloss die Augen. Es war das gleiche After Shave, das Matthias benutzt hatte.
Als sie die Augen wieder öffnete, stand er ganz dicht vor ihr. Sie lächelte, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn sanft auf den Mund. Es tat ihr gut von diesen starken Armen gehalten zu werden und seine immer leidenschaftlicher werdenden Küsse zu spüren. Nichts daran kam ihr falsch vor. Das schlechte Gewissen, das sie seit Matthias‘ Tod bekam, wenn sie einen Mann auch nur ansah, war verflogen.

Viel Spaß beim Lesen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*