Es gibt Tage im Leben, die man einfach nicht vergisst. Der 17. März 1997 ist so ein Tag für mich und darum möchte ich euch daran teilhaben lassen. An diesem Tag erblickte nämlich mein Traumpferd Humphrey Bogart das Licht der Welt.
Bereits am Sonntagabend, den 16. März, als ich meine hochtragende Stute Hyundai putzte, spürte ich in ihrem Bauch die Bewegungen des Fohlens. Zuerst erschrak ich, denn ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen oder gar gespürt. Ich konnte richtig sehen, wie das Pferdebaby im Bauch seiner Mutter um sich trat und dabei auch immer wieder meinen Striegel oder die Bürste traf.
Hyundai hatte auch schon den ganzen Tag sogenannte Harztropfen am Euter. Das sind ein paar Tropf Milch, die wenige Tage oder Stunden vor der Geburt aus den Zitzen der Stuten kommen. Diese gelten als gutes Erkennungszeichen, dass das Fohlen bald kommt. Und ich war mir ganz sicher, dass es in der kommenden Nacht so weit sein würde. Den Geburtstermin hatte ich mir bereits zehn Monate zuvor genau auf den 17. März ausgerechnet.
Natürlich wollte ich unbedingt dabei sein, wenn mein erstes Fohlen das Licht der Welt erblickte. Ich begleitete meinen Vater noch auf dem letzten Stallrundgang um 22.30 Uhr. Meine Mutter versuchte mir ständig einzureden, dass es noch nicht so weit sei, denn sie wollte nicht, dass ich im Stall übernachte. Heimlich stellte ich mir aber meinen Wecker auf 1.30 Uhr. Als er klingelte sprang ich sofort auf, zog mich an, schnappte mir meine Stalltaschenlampe und unsere Hündin Scarlett und lief durch den dunklen Hof hinunter zu den Stallungen unterhalb der Reithalle. Ich schaltete das Licht ein und öffnete die obere Tür zu Hyundais Box, die sie in der Nacht vor der Kälte schützen sollte. Dabei blickte ich direkt auf zwei kleine Vorderhufe, die an weißen Beinen hingen. Hyundai atmete schwer und ihr Körper bebte durch die Wehen.
Hilfe! Ich hatte mich zwar riesig auf die Geburt gefreut und hatte unbedingt dabei sein wollen, doch nun verließ mich der Mut. Außerdem sah Hyundai mich etwas genervt an, so als wolle sie alleine sein. Schnell schloss ich die Tür wieder, lies das Licht aber an. Mit Scarlett im Schlepptau ging ich zurück ins Haus. Dort hörte ich, dass mein Vater aufstand und sich auf den Weg in den Stall machte. Ein paar Minuten wartete ich noch, da ich mir sicher war, er würde auch jeden Moment zurückkommen, um Hyundai alleine zu lassen. Doch nach ein paar Minuten wurde ich nervös und ging wieder nach draußen. Auf halbem Weg kam mir mein Vater lachend entegegen und verkündete: „Du hast ein hübsches Hengstfohlen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es am Licht draußen liegt, ich habe den Eindruck, es ist ein Fuchs.“ Dazu muss ich erwähnen, dass ich NIE einen Fuchs wollte und mir total sicher war, aus einer Rappstute und einem tiefdunkelbraunen Hengst auch ein Rappfohlen zu bekommen.
Eilig liefen wir zu Hyundais Box. Dort lag es: Mein erstes selbstgezogenes Hengstfohlen Humphrey Bogart und tatsächlich war er ein Fuchs. Aber er hatte vier weiße Beine und eine wunderschöne Blesse, wie ich es mir gewünscht hatte. So klein er auch war, er hatte jetzt schon einen kräftigen Hals und sah aus wie ein fertiger Hengst.
Hyundai leckte ihn fleißig ab und Bogie begann langsam mit dem Aufstehen. Als er es gerade schaffte, fiel er wieder um. Bei einem weiteren Versuch drehte er sogar seine erste Piourette und landete dann wieder auf dem Boden. Nach einer gefühlten Ewigkeit machte er endlich seine ersten Trinkversuche. Hyundai tat mir dabei total leid, denn sobald er mit seinen kleinen Nüstern an ihr Euter kam, zog sie schmerzvoll ihren Bauch zusammen. Nachdem wir dann sicher waren, dass alles in Ordnung war, gingen wir zu Bett.
Am Morgen des 17. März musste ich zu meinem Leidwesen in die Berufsschule. Konzentrieren konnte ich mich an diesem Tag nur sehr schwer, denn ich konnte nur an mein liebes Fohlen denken und freute mich riesig es am Nachmittag endlich im Tageslicht zu sehen.
Zu Hause erwarteten mich Hyundai und Bogie auch schon auf unserem Reitplatz, wo mein Vater sie zu Auslauf hingebracht hatte. Alle Einsteller und Mitarbeiter waren genauso hin und weg von diesem Fohlen, wie wir auch. Natürlich holte ich meine Kamera und machte viele Fotos. Auf einem Foto liegt Bogie in einer Mulde, die entstand, als Hyundai sich kurz zuvor gewälzt hatte. Von diesem Bild musste ich mehrfach Abzüge für meine Stallkameraden machen weil es einfach so schön war.